27 Oktober 2011 15:00 Uhr München “ Bayerischer Finanzgipfel 2011 “
Beim 5. Bayerischen Finanzgipfel diskutierten hochkarätige Experten über das Thema Finanzierung und Versicherung der Wirtschaft – Regulierung zwischen Risikovorsorge und Wachstum .

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In seiner Rede zum Finanzgipfel in München betont der Präsident der Deutschen Bundesbank Jens Weidmann : “ Einerseits sind hochentwickelte Volkswirtschaften zwingend auf ein leistungsfähiges Finanzsystem und seine vielfältigen Dienstleistungen angewiesen. Andererseits sind unverhältnismäßige Risiken im Finanzsystem und eine unzureichende Widerstandsfähigkeit eine gravierende Bedrohung für unseren Wohlstand und vielleicht sogar für die gesellschaftliche Akzeptanz der marktwirtschaftlichen Ordnung insgesamt zumindest scheinen die zunehmenden öffentlichen Proteste das anzudeuten. Im Kern wurde die Staatsschuldenkrise durch die Politik verursacht, und nur die Politik kann sie lösen. Eine erfolgreiche und stabile Währungsunion benötigt Mitgliedsländer, die wettbewerbsfähig und finanzpolitisch handlungsfähig sind, ein Rahmenwerk, das diese materielle Basis über Eigenanreize oder Eingriffsrechte gewährleistet , ein widerstandsfähiges Finanzsystem. In allen Bereichen gibt es aber erhebliche Defizite, die zusammen für die Krise und ihre Brisanz verantwortlich sind.Eine Reihe von Mitgliedsländern hat in den vergangenen Jahren kontinuierlich an Wettbewerbsfähigkeit verloren, teilweise begleitet von spekulativen Blasen an den Immobilienmärkten. Zudem ist in den meisten Mitgliedsländern die Staatsverschuldung dramatisch gestiegen, das engt den finanzpolitischen Handlungsspielraum zunehmend ein und lässt das Vertrauen in die Staatshaushalte schwinden. Trotzdem mangelt es allzu oft an der Bereitschaft, die notwendigen Strukturreformen und Konsolidierungsmaßnahmen rasch anzugehen.Die Disziplinierung über die Finanzmärkte und das bisherige Regelwerk konnten die Verschuldung allerdings nicht ausreichend begrenzen. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt wurde nicht konsequent angewendet und schließlich sogar aufgeweicht, weil die erforderliche politische Mehrheit für eine strikte Umsetzung fehlte .Im Zuge der Krisenbekämpfung wurden dann Risiken zunehmend vergemeinschaftet, die Anreize für solide Staatshaushalte verringert, und die eigentlich klar getrennten Verantwortungsbereiche von Geld- und Finanzpolitik wurden zunehmend vermischt. Dadurch hat das bisherige Rahmenwerk der Währungsunion noch weiter an Konsistenz verloren, ohne dass bislang klar ist, welche tragfähige Alternative an seine Stelle treten soll.Ferner bestehen zunehmende Zweifel, ob die Banken in Europa einer erneuten Zuspitzung der Staatsschuldenkrise standhalten können. Die Reform der Finanzmarktregulierung kann hier kurzfristig keine Abhilfe schaffen. Es fehlt an Klarheit sowohl über die Belastbarkeit der einzelnen Institute als auch über die Möglichkeiten der Politik, Banken bedarfsweise zeitnah zu stützen. Positiv hervorheben möchte ich zunächst, dass das Eurosystem bei der Refinanzierung der EFSF außen vor bleibt. Dies hätte sonst zu einer Staatsfinanzierung durch die Notenpresse geführt, die ich nicht nur für ökonomisch verfehlt halte, sondern die auch durch den EU-Vertrag ausdrücklich verboten ist. Die breite politische Unterstützung des Bundestages für die Unabhängigkeit der Geldpolitik und die Absage an eine monetäre Staatsfinanzierung begrüße ich daher ebenso ausdrücklich wie die Erklärung der Regierungschefs, dass sie die EZB bei der Gewährleistung der Preisstabilität voll unterstützen. Damit werden zudem die Risiken für die Notenbanken verringert. Banken sollen auch dann eine Kernkapitalquote von mindestens 9 % erreichen, wenn sie ihren gesamten Bestand an Staatsanleihen zu Marktpreisen bewertet haben. Um diese Anforderung zu erfüllen, müssen die Banken gegebenenfalls ihre Eigenkapitalbasis erhöhen. In Deutschland beläuft sich der Bedarf auf insgesamt rund 5 Mrd Euro, im Euro-Raum auf gut 106 Mrd Euro. Die Mittel sollen vorzugsweise am Kapitalmarkt besorgt werden, und nur wenn das nicht gelingt, ist der Staat gefordert, notfalls unterstützt durch den Rettungsfonds EFSF. Damit bleibt die Verantwortung für die Banken primär bei den Mitgliedsländern. Es wurde keine Vergemeinschaftung von Risiken aus den nationalen Finanzsystemen vorgenommen, wie sie sich bei einer direkten Stützung der Banken durch die EFSF ergeben hätte. Um zusätzliche Mittel für weitere Rettungsmaßnahmen zu mobilisieren, werden die Mittel der EFSF gehebelt. Durch die noch nicht endgültig konkretisierte Hebelung kann die potenzielle „Reichweite“ des Fonds deutlich erhöht werden. Damit sind aber eindeutig auch höhere Verlustrisiken verbunden, und die Vergemeinschaftung der Risiken nimmt zu. Die in Aussicht gestellten Hebelungsinstrumente ähneln in ihrer Ausgestaltung zudem denen, die die Krise mit begründet haben, weil sie Risiken zeitweise kaschiert haben. Ungeachtet dessen halte ich es im Hinblick auf die noch zu konkretisierende Ausgestaltung für besonders wichtig, dass sämtliche Hilfsmittel nur über den Weg des Kredites an das bedrohte Mitgliedsland ausgereicht werden. Ein anderer Weg wäre auch nicht kompatibel mit dem Rahmenvertrag der EFSF, dessen Einhaltung gerade auch vom Bundestag ausdrücklich eingefordert wurde. Hierdurch kann das Risiko für die Hilfe leistenden Staaten und auch für
deren Rating noch am ehesten begrenzt werden. Um die Anreize zu soliden Staatsfinanzen im weiteren Verlauf weitest möglich zu bewahren, wird es entscheidend darauf ankommen, Hilfsleistungen nur auf Basis von umfangreichen und strikten Konditionalitäten und mit spürbaren Zinsaufschlägen zu gewähren. Die neuen Instrumente sehe ich vor diesem
Hintergrund mit Sorge. Die größte Unsicherheit besteht weiterhin in der Frage, wie finanzpolitische Solidität in der Währungsunion perspektivisch abgesichert wird.Aber Befugnisse der Mitgliedsländer müssen zwingend dann eingeschränkt oder aufgehoben werden, wenn ein Land seine öffentlichen Finanzen nicht selbst in Ordnung hält.
Überschreitet ein Land die vereinbarten Grenzen, verliert das Land - seine Regierung, sein Parlament und seine Bevölkerung – seine haushaltspolitische Souveränität. Damit läge die endgültige Entscheidung über die Haushalte nicht mehr bei den nationalen Parlamenten, sondern auf europäischer Ebene. Die Umsetzung dieser Option verlangt allerdings umfassende Änderungen der europäischen Verträge und der nationalen Verfassungen .Aber die Stabilität des Finanzsystems hängt nicht nur von der Qualität der Regulierung und Aufsicht ab. Die Staatsschuldenkrise zeigt, dass auch makroökonomische Stabilität eine zentrale Voraussetzung für ein stabiles Finanzsystem ist. Dazu leistet die Geldpolitik mit Geldwertstabilität einen wichtigen Beitrag. Doch das Vertrauen in die Solidität der Staatshaushalte und die Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaften kann nur die Politik gewährleisten. “ so Dr. Jens Weidmann

Foto : Bayexna
Namenverzeichnis : Präsident der Deutschen Bundesbank, Dr. Jens Weidmann - die Präsidenten des Bayerischen Finanzzentrums, Prof. Dr. Elmar Helten und Prof. Dr. Wolfgang Gerke - Wirtschaftsminister Martin Zeil - Gerd Häusler (Vorsitzender des Vorstands der BayernLB)
Quelle : Bayerisches Finanz Zentrum , Bayerisches Wirtschaftsministerium - Deutsche Bundesbank